Schließlich mußte der geknickte Berliner Großstadtrichter – nach einem kurzen Verschwinden mit den Schöffen hinter die Kulisse – im dörflichen Kassel mit kleinlauter Stimme, seinen Blick immer nur eifrigst auf das vor ihm auf dem Richtertisch liegende Blatt gerichtet – weder mich noch meinen Anwalt, noch die Staatsanwaltschaft, noch den adretten pressalen Belastungszeugen, noch das ganze Publikum auch nur eines Blickes würdigend –, vor aller Augen und Ohren den „Freispruch“ verkündigen.
Die ganze konzertierte Hochrechnung war wohl ohne jene unschuldigen und offensichtlich noch gar nicht richtig eingeeichten nordhessischen Schöffen aufgemacht worden.

Als ich mich am Schluß von dem frustrierten Richter verabschiedete, ihm dabei die Hand reichte und mich bei ihm für die interessante Verhandlung bedankte, da starrte er immerfort nur mit grimmigem Gesicht auf seinen Schreibtisch und wagte mich nicht einmal anzusehen – um mich wohl nicht unnötig zu erschrecken.

Dabei konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß sehr viel mehr hinter dieser ganzen Angelegenheit gesteckt hatte und daß dem Richter aber die Natur auf der Ebene seines Bewußtseins einen mächtigen Streich gespielt hatte, indem sie ihn sich völlig vergessen ließ – wobei er dann schwere richterliche Formfehler beging, wohl wissend, daß er sich mit diesen den Einstieg in ein neues Verfahren nicht leisten konnte.

Im Film habe ich einmal dokumentarische Szenen aus dem Volksgerichtshof unter der exemplarischen selbstherrlichen Führung seines damaligen Präsidenten Freisler gesehen, die mich – bei aller jetzigen Belustigung – doch sehr an das Gebaren des Richters während dieser Kasseler Gerichts-verhandlung erinnerten.
Nur war ich mir hier darüber im klaren, daß es sich um einen Menschen handelte, der bewußtseinsmäßig ganz unerwartet völlig aus den Fugen geraten war – weshalb mir in diesem Falle die ganze Szene auch äußerst belustigend erschien und ich mich beinahe dazu verführt sah, mich mit den anderen in gewisser Freude an seinen unkontrollierten höchstricherlichen Explosionen zu weiden.

             
                                         
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
           
                                   
  Mit freundlicher Genehmigung des HESSISCHEN LANBOTEN
© DEUTSCHES KULTUR FORUM 2003
       
           
   
Peter Hübner   •   Preis der Freiheit   •   Das programmierte Vierte Reich
Teil 2   •  Die Deutsche Kulturstiftung
 

 

PETER HÜBNER  ·  PREIS DER FREIHEIT  DAS PROGRAMMIERTE VIERTE REICH  EINE DOKUMENTATION  Unter der Schirmherrschaft der DEUTSCHEN KULTURSTIFTUNG
DEUTSCHES KULTUR FORUM
Wird laufend
durch Dokumente und Bilder ergänzt
Bitte empfehlen Sie
diese Seite!
  klick
 
 HOME
 INHALT
 Preis der Freiheit - Inhalt
 Vorwort des Verlages
 Vorwort des Autors
 Vorwort der
 Deutschen Kulturstiftung
 TEIL 2
 Die Deutsche
 Kulturstiftung in der
 staatsfreien Zone

 Das Gesetz I
 Das Gesetz II
 Brief der Deutschen
 Bundespost
 an die Deutsche
 Kulturstiftung 1
 Brief der Deutschen
 Bundespost
 an die Deutsche
 Kulturstiftung 2
 Brief der Deutschen
 Kulturstiftung
 an die Deutsche
 Bundespost
 Brief der Deutschen
 Bundespost
 an die Deutsche
 Kulturstiftung 3
 ORIGINAL-DOKUMENTE
 Main Links
 
 
 
Seite 3
Die Geschichte der Deutschen Kulturstiftung
 
TEIL 2   •   DIE DEUTSCHE KULTURSTIFTUNG
Die Deutsche Kulturstiftung in der staatsfreien Zone
__________________________________________________________________________________________________
ARCHIV
aktuell