Gleich
reihenweise gingen deutsche Top-Manager obskuren Weltverbesserern auf
den Leim, weil sie sich Millionen-aufträge erhofften
Die
Gäste kamen mit dem Hubschrauber und waren auffallend bemüht,
Finanzkraft zu demonstrieren. Sie kamen den von der weltweiten Schiffbaukrise
gebeutelten Werft-bossen gerade recht. Winkten die freundlichen, selbstbe-wußten
Herren von der Deutschen Kulturstiftung doch mit Großaufträgen
von der feinsten Art: Etliche Segelkreuz-fahrtschiffe der Luxusklasse
seien geplant und ein riesiges Passagierschiff für 7500 Personen
im Wert von mindestens ein bis zwei Milliarden Mark, verkündeten
sie reihum den Vorständen mehrerer deutscher Werften.
Interessiert
ließen sich die wichtigen Herren, allesamt im dunklen Anzug, Clubkrawatte
und der Scheitel wie mit dem Lineal gezogen, die Werftanlagen zeigen.
Schade nur, daß sie pro Werft lediglich 50 Minuten Zeit hatten
und sich daher leider, leider auf intensivere Gespräche
über den Großauftrag nicht einlassen könnten.
Doch
das schmälerte die Hoffnung der Werftchefs nur unwesentlich. Hatte
man doch inzwischen längst diskrete Erkundigungen über die
Deutsche Kulturstiftung ange-stellt, als deren oberste Emissäre
die Herren auftraten. Was man dabei erfahren hatte, klang äußerst
vielverspre-chend: Die Leute der Deutschen Kulturstiftung seien vielleicht
etwas spinnert, aber Geld hätten sie. Die Stiftung beruft sich
auf die Lehren des Maharishi Mahesh Yogi, der seinen Jüngern die
völlige Entspannung durch die Transzen-dentale Meditation (TM),
ja sogar die Kraft zum Fliegen verheißt.
Die
Werftmanager waren zumindest von der Finanzkraft der vermeintlichen
TM-Anhänger überzeugt. Neben den Auf-tragsbemühungen
von Bremer Vulkan, Blohm + Voss aus Hamburg, HDW aus Kiel
und der Flender-Werft aus Lübeck rangelten eine Vielzahl von Zulieferer-Firmen
darum, auf die Makers List zu kommen. Die Krupp-Tochter
MaK Maschinenbau GmbH aus Kiel ist ebenso dabei wie die Kompaß-Hersteller
Anschütz & Co. aus Kiel, Fr. Fassmer & Co. aus Motzen (Rettungsboote)
und Noske-Kaeser aus Hamburg (Kältetechnik). Besonders seriös
wirkte, daß Schiffahrtsexperte Nikolaus W. Schües von der
traditionsreichen Hamburger Reederei F. Laeisz die TM-Leute in technischen
Fragen beriet.
Etwas
ungewöhnlich war allerdings, daß die freundlichen Herren
von der Kulturstiftung die Werftbosse drängten, eine sechsbändige
Reihe billig aufgemachter Taschen-bücher zu ordern für
die Kleinigkeit von 720 Mark. Ein Firmenvertreter: Uns wurde dringend
nahegelegt, diese Bücher anzuschaffen, um uns mit dem Gedankengut
der Kulturstiftung auseinanderzusetzen. Die Herren ließen durchblicken,
daß sie die Bücher bei künftigen Besuchen gern deutlich
sichtbar in unserem Büro stehen sehen würden.
Natürlich
verbot es der Geschäftssinn, die deutschen Kulturstifter zu verprellen.
Und so wurden folgsam Bücher bestellt: Titel wie Arbeit
Gott der Deutschen. Der uralte Sternenweg unserer Ahnen zu kosmischer
Freiheit. Die Manager hätten die Traktate vielleicht lesen
sollen, dann hätten sie sich über das nächste Ansinnen
der seltsamen Kunden nicht mehr so gewundert. Denn die luden bald darauf
zu einem Internationalen Wirtschaftstag nach London ein.
Kostenpunkt der zweitägigen Veranstaltung: stolze 4800 US-Dollar,
umgerechnet knapp 10.000 Mark, natürlich im voraus zahlbar und
An- und Abreise extra. Ein hübsches Sümmchen, vor allem für
viele der mittelstän-dischen Zuliefererfirmen. Einige Unternehmen
sprangen ab. Doch die meisten hofften noch immer auf das große
Geschäft und zahlten.
Einer
der späteren Seminar-Teilnehmer zum STERN: Es fand eine gewisse
Erpressung statt. Als unsere Firma die Teilnahme an diesem Wirtschaftstag
absagen wollte, wurde uns erklärt, daß wir dann von der weiteren
Projektarbeit ausgeschlossen seien und als Gesprächspartner nicht
mehr in Frage kämen.
Und
so kamen am 15. und 16. September des vergangenen Jahres im vornehmen
Londoner Mountbatten Hotel so manche zusammen, die in der Schiffbaubranche
Rang und Namen haben. Auf ausdrücklichen Wunsch der Kultur-stiftung
hatten die Firmen sich bemüht, nur Vorstände, Geschäftsführer
oder ähnlich kompetente Manager zu entsenden. So erschienen der
Hamburger Arbeitgeber-Präsident Alexander Schön als Vertreter
der Firma ROM (Rud. Otto Meyer, Klimatechnik) ebenso wie Dr. Michael
Budczies, zu dieser Zeit noch Vorstandssprecher der Hamburger Großwerft
Blohm + Voss und gleichzeitig Vorsitzender des Verbandes der Deutschen
Schiffbauindus-trie. Dreißig hochkarätige Gäste verzeichnet
die Teilneh-merliste. Auch der jüngst bei der staatseigenen Werft
HDW geschaßte Vorstandschef Klaus Ahlers wollte sein Unter-nehmen
vertreten sehen und beorderte zwei Manager nach London.
Alle
Herren erschienen wie vorgeschrieben im dunklen Anzug und verkniffen
sich wacker während der Sitzungen das Rauchen. Man hoffte, daß
es bei dem zweitägigen Treffen nun endlich zur Sache gehen werde.
Denn neben salbungsvollen Sprüchen stellte das gedruckte Programm
immerhin auch eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre
und die Gelegenheit in Aussicht, die leitenden Personen, die von der
Deutschen Kulturstiftung mit der praktischen Durchführung der geplanten
Projekte befaßt seien, genauer kennenzulernen. Es sollte in London
darum gehen, Projekte in Angriff zu nehmen, welche aufgrund ihrer
Größenord-nung ... durch einzelne nicht zu bewältigen
sind.
Und
so saßen die Herren aus Deutschland geduldig den Internationalen
Wirtschaftstag ab. Drei Vorträge mußten sie überstehen.
Referent ist der 46jährige Peter Hübner, oberster deutscher
Kulturstifter.
Wir
wurden überschüttet mit einem Gemisch aus fernöstlichen
Weisheiten, rechtslastigem Gedankengut und Parapsychologie, berichtete
hernach ein verwirrter Firmen-vertreter dem STERN.
Für
ihre 4800 Dollar erfuhren die staunenden Teilnehmer des Internationalen
Wirtschaftstages fürwahr Wunder-liches. Von den Wikingern
als Vorbild war da die Rede (wobei die sich ja zugegebenermaßen
auf den Schiffbau verstanden), von der Pflege des Heidentums, von den
tiefen Wurzeln der Bewegung im deutschen Raum und auch von den Wundern
der Transzendentalen Meditation.
Als
dann irgendwann einem Manager das Wort Sekte ent-schlüpfte, wurde
der freundliche Herr Hübner empfindlich.
Auch
bohrende Fragen, wann und wie die geplanten Großaufträge
denn nun angepackt werden sollten, hörte er gar nicht gern. Und
so warteten die Herren Firmenvertreter dann geduldig weiter und nahmen
sogar eifrig an der abstrusen Diskussion teil. Da ging es zum Beispiel
um die Frage, wie denn die große Friedensflotte, die
die Kulturstiftung in Auftrag geben wollte, am besten auf den Weltmeeren
eingesetzt werden könne. Es sollte nicht nur bei den anfänglich
in Aussicht gestellten zwölf Schiffen bleiben, sondern nun waren
es schon über dreißig, jedes einzelne mindestens im Auftragswert
von sechzig Millionen Mark.
Mit
einer solchen Flotte könne man sich dann beispiels-weise vor die
chinesische Küste legen, positives geistiges Gut ausstrahlen und
so auf die Politiker Einfluß nehmen. Das sei äußerst
erfolgversprechend, denn daß Rotchina sich schon seit längerer
Zeit dem Westen gegenüber so positiv geöffnet habe, sei auf
geistigkybernetische Kräfte der TM-Anhänger zurückzuführen!
Die hätten mit ihrer geballten Ausstrahlung bei den chinesischen
Führern einen Umdenkungsprozeß bewirkt.
Mit
den geplanten Großseglern hoffe man nun, die Operationsfähigkeit
erweitern zu können. Wenn man mit China fertig sei, wolle man darangehen,
mit der Kraft der Gedanken in Indien das Kastenwesen abzuschaffen.
Spätabends
an der Hotelbar kamen den deutschen Mana-gern dann doch Zweifel. Müssen
wir uns diesen Quatsch eigentlich anhören? Wahrscheinlich stehen
wir eines Tages ganz schrecklich blamiert da, sagte einer.
Frust
überkam die Firmenvertreter aber vor allem, weil es wieder einmal
kaum Gelegenheit gab, über die Einzelheiten der Großaufträge
zu sprechen. Ob in der Kaffeepause, beim abendlichen Buffet oder an
der Bar: Die Gastgeber mach-ten sich rar und zogen sich wegen dringender
interner Gespräche immer schnell zurück. Ein Teilnehmer:
Nicht einmal Visitenkarten waren von den Herren zu bekommen.
Doch
es standen noch Einzelgespräche über die konkrete wirtschaftliche
Kooperation auf dem Programm. Auch das war nichts: Pro Unternehmen
gewährten die Stiftungs-Leute eine Privataudienz von zehn bis fünfzehn
Minuten. Aus Zeitgründen könne man wieder einmal
nicht ins Detail gehen.
Und
so lautete denn das Fazit am Ende: Außer Spesen nichts gewesen.
Für viel Geld gabs drei Vorträge, reichlich Pausen und
exzellente Verpflegung. Den Großaufträgen aber war man keinen
Schritt nähergekommen.
Die
Masche der Jünger der Geisteskraft hat Methode, und zwar eine,
die immer feiner ausgearbeitet wird und die Kasse der Kulturstiftung
dauerhaft zum Klingen bringt. Sind sie doch gerade dabei, etliche Wirtschaftszweige
in der Bundesrepublik auf diese Weise abzuklappern. Von der Baubranche
über die Elektrotechnik bis hin zur Textil-, Teppich- oder Lebensmittelindustrie
reichen die Kontakte inzwischen. Mit angeblich riesigen Bauvorhaben
oder anderen Projekten werden große und kleine Firmen dazu gebracht,
Bücher zu kaufen, an Seminaren teilzunehmen und der Kulturstiftung
Gratisproben ihrer Produkte zur Verfü- gung zu stellen.
Sektenforscher
Ingo Heinemann von der Aktion für geistige und psychische Freiheit
in Bonn und intimer Kenner der deutschen Szene: Bei denen geben
sich die Firmenvertre-ter nur so die Klinke in die Hand. Ein Dutzend
pro Tag sind keine Seltenheit. Mal geht es um Errichtung und Aus-stattung
von rund tausend Kulturzentren im In- und Ausland, mal um den Bau von
Universitäten, Festhallen, Opern und Schauspielhäusern, Kinos,
Hotels, Restaurant-ketten, Lebensmittelläden und am Ende gar um
den Bau ganzer Städte. Ingo Heinemann: Die Deutsche Kultur-stiftung
ist juristisch überhaupt nicht existent. Es handelt sich um eine
Tarnorganisation des Maharishi-Kultes. |