Herr Hübner, Sie sprechen im Zusammenhang mit der Verletzung der Grundrechte des Menschen sowie der Untergrabung der Menschenwürde in Deutschland immer nur von der Evangelischen Kirche Deutschlands, aber nie von der Katholischen Kirche.
Geschichtlich ist doch aber gerade die Katholische Kirche viel mehr dafür bekannt, dass sie die Grundrechte des Menschen verletzt hat - auch in Deutschland. Sie hat überhaupt den Katholischen Glauben mit Waffengewalt und unter Verletzung der Grundrechte des Menschen eingeführt.

Sie hat gewaltsam die Macht an sich gerissen, sie hat die Diktatur der Kirche aufgebaut - die ja offiziell erst mit dem Aufkommen der Demokratie vor 150 Jahren ihre Vormachtstellung verlor.

Sicherlich ist - wie Sie an anderer Stelle sagen - auch die Evangelische Kirche Deutschlands von Anfang an in die historischen Fußstapfen der Katholischen Kirche getreten und hat schon mit Martin Luther die Fürsten gegen die nach Freiheit strebenden Bauern aufgehetzt, „sie sollten diese alle totschlagen!“

Und es stimmt auch, dass die Evangelische Kirche Deutschlands im Dritten Reich gleich mit wehenden Fahnen zu Hitler gelaufen ist und die evangelischen Kinder und Jugendlichen diesem ihrem großen Führer unterstellt hat, der ja - wie kein anderer - die Grundrechte des Menschen mit Füßen trat und die Menschenwürde verletzte.

Das stimmt auch, und es stimmt auch, dass die Evangelische Kirche Deutschlands ein großer Drahtzieher für den letzten Weltkrieg war - denn nur so lässt sich erklären, dass der evangelische Gesang-buchverlag Bertelsmann so penetrant mit seinem Landser in Millionenauflagen für diesen Krieg gegen die Ungläubigen im Osten warb. - Der Vater des gegenwärtigen Bertelsmann-Chefs Mohn war ja Fördermitglied der SS.

Aber dennoch hat doch wohl ganz ohne Zweifel die Katholische Kirche geschichtlich mehr Dreck am Stecken, wenn es um die Verletzung der Grundrechte des Menschen geht - und warum soll sie plötzlich in unserer Zeit moralisch und ethisch so viel besser sein als die Evangelische Kirche Deutschlands?

PETER HÜBNER: Wenn Sie jemanden anklagen, dann brauchen Sie Beweise. Wenn Sie jemanden in großem Stil anklagen, dann brauchen Sie entsprechend viele Beweise - dann muss die Beweislage für den Angeklagten geradezu erdrückend sein.

Wir haben in den letzten 30 Jahren genügend Erfahrungen mit der Justiz, mit der Staatsanwaltschaft und mit Gerichten gemacht, um davon ausgehen zu können, dass ein Gericht ein staatliches Organ - auch wenn dieses eklatant gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen würde - nicht verurteilen würde.

Die Verzahnung zwischen Staat und Justiz ist mittlerweile in sich zu korrupt. Es ist ja auch verständlich: die Richter können zwar offiziell „frei“ nach dem Gesetz entscheiden - aber ob sie versetzt, befördert oder vom Dienst suspendiert werden, dies entscheidet die Regierung.

Wenn man eine von der Exekutive unabhängige Justiz haben wollte, dann müsste diese rundum vollständig von der staatlichen Regierungsapparatur abgekoppelt werden.
Die Anstellung, die Bezahlung und die Beförderung der Justiz-angestellten, der Staatsanwälte und der Richter dürften niemals über ein staatliches Organ erfolgen, wenn sie wirklich vom Staat unabhängig sein sollen.