Vfg.
Das
Verfahren wird gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
G
r ü n d e:
Die
Beschuldigte Renate P., geb. ..... in ....., wohnhaft ..... erschien
am 1.9.1986 auf der Dienststelle des Dezernates 6 der Polizeidirektion
Heidelberg und machte dort Angaben zum Verbleib ihrer Tochter Ariane
P.
Diese
wurde seit dem 13. 3. 1986 vermißt und erst am 28. 11.
1986 von Jägern während einer Treibjagd, ca. 2 1/2 Kilometer
vom Wohnort entfernt, in einer Tannenschonung tot aufgefunden.
Ariane
P. war das einzige Kind der beschuldigten Witwe.
In
dieser Vermißtensache gab die Beschuldigte gegenüber der
Kriminalpolizei am 1. 9. 1986 u.a. an, daß sich ihre
Tochter mit Sicherheit in der Sekte Deutsche Kulturstif-tung
aufhalte. Nachdem im Fernsehen die Vermißten-fahndung nach ihrer
Tochter ausgestrahlt worden sei, habe ein Mann angerufen und mitgeteilt,
daß er mit einiger Sicherheit ihre Tochter als Mitglied einer
Sekte in der Düsseldorfer Innenstadt gesehen habe. Sie solle dort
irgendwelche Handzettel ausgeteilt haben. Die Fernseh-fahndung sei am
17. 7. 1986 in WDR 3 ausgestrahlt worden.
Einige
Zeit später habe sich nochmals ein Herr aus dem Ruhrgebiet gemeldet,
der damals die Fernsehfahndung gesehen habe und zuvor seinen Urlaub
auf dem Camping-Platz in Altneudorf bei Heidelberg verbracht habe.
Dieser Herr sei sich sicher gewesen, ihre Tochter in Altneudorf gesehen
zu haben.
In der Nähe des Camping-Platzes habe sich das Grundstück einer
Sekte befunden, auf dessen Gelände er ihre Tochter am 10.8.1986
gesehen haben wollte.
Die
Beschuldigte begab sich daraufhin am 27. 8. 1986 nach Altneudorf
und beobachtete dort täglich das Gelände der Sekte Deutsche
Kulturstiftung, auch bis spät in die Nacht hinein. Sie gab
an, dabei den Eindruck gewonnen zu haben, daß die jungen Mädchen
dort als Sklavinnen benutzt werden, weil sie diese bei der
Verrichtung von allen möglichen Hausarbeiten habe beobachten können.
Diese Mädchen seien auch nie im Garten zu sehen gewesen und hätten
auch das Gelände nicht verlassen.
Nach
ihren eigenen Worten, mit den Nerven völlig am Ende zu sein, gab
sie ferner an, dann auch zweimal ihre Tochter Ariane auf dem Gelände
der Sekte gesehen zu haben. Das eine Mal auf dem Balkon, das andere
Mal in der Einfahrt vor dem Haus, dabei allerdings nur von hinten.
Sie
sei sich sicher gewesen, daß es sich beide Male um ihre Tochter
gehandelt habe.
Die
Beschuldigte gab schließlich an, daß sich Einwohner aus
Altneudorf darüber beschwert hätten, daß Sektenmitglieder
auf ihrem Gelände irgendwelche Dinge verbrannt hätten, die
nach Organischem gerochen hätten. In diesem Zusammenhang
müsse man wissen, daß diese Sekte Indien-orientiert
sei und in Indien Leichen verbrannt würden.
Die
Kriminalpolizei Heidelberg erwirkte aufgrund dieser Angaben einen Durchsuchungsbefehl
für das Anwesen der Deutschen Kulturstiftung, Adam-Remmele-Str.
3, 6917 Schönau-Altneudorf. Die Durchsuchung wurde am 4.9.1986
von der Kriminalpolizei Heidelberg durchgeführt; sie führte
jedoch nicht zum Auffinden der vermißten Ariane P.
Der
Beschuldigten wird ein Vergehen der falschen Verdächtigung, der
üblen Nachrede und der Verleumdung zur Last gelegt.
Durch
ihre Angaben bei der Kriminalpolizei Heidelberg am 1. 9. 1986 habe
sie die Deutsche Kulturstiftung bei einer Behörde oder
einem zur Entgegennahme von Anzeige zuständigen Amtsträger
wider besseren Wissens einer rechtswidrigen Tat in der Absicht verdächtigt,
ein behörd-liches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen
gegen sie herbeizuführen und die Mitglieder der Deut-schen
Kulturstiftung in der Ehre gekränkt.
Die
Ermittlungen haben keinen hinreichenden Tatverdacht ergeben. Der Beschuldigten
konnte nicht nachgewiesen werden, daß sie wider besseren Wissens,
in der Absicht, ein behördliches Verfahren gegen die Deutsche
Kultur-stiftung herbeizuführen, diese Angaben gemacht hat.
Sie
hat glaubhaft dargelegt, daß sie im Anschluß an die Fernsehfahndung
vom 17. 7. 1986 aus zwei verschiedenen, überzeugenden
Quellen die Information erhalten habe, daß sich ihre Tochter bei
einer Sekte aufhalte.
Nur
aufgrund dieser Informationen habe sie das Anwesen der Deutschen
Kulturstiftung beobachtet. Sie hat ferner glaubhaft dargetan,
daß sie, zwar mit den Nerven völlig am Ende, ihre minderjährige
Tochter zweimal auf diesem Gelände gesehen habe.
Insoweit
ist festzustellen, daß jedenfalls was den subjek-tiven Tatbestand
betrifft, kein hinreichender Tatverdacht gegeben ist. Die Beschuldigte
handelte weder mit dem Vorsatz, einen anderen falsch zu verdächtigen,
noch übel nachzureden oder gar zu verleumden.
Die Angaben der Beschuldigten waren allein von der Sorge um das Wohlergehen
und das Wiederauffinden ihrer einzigen, minderjährigen Tochter
bestimmt.
Soweit
der Beschuldigten eine üble Nachrede oder Ver-leumdung zur Last
gelegt wird, handelte sie in Wahrneh-mung berechtigter Interessen (§
193 StGB). Sie hat den Grundsatz der Interessenabwägung im Rahmen
des § 193 StGB nicht verletzt.
Die den Anzeigenden treffende gewisse Prüfungspflicht bezüglich
der Richtigkeit des Anzeigeninhalts hat sie ge-wahrt, indem sie das
Gelände der Deutschen Kultur-stiftung mehrere Tage
beobachtet hat und sie dabei eine weibliche Person gesehen hat, die
sie für ihre Tochter gehalten hat. Da sie von Dritten den Hinweis
erhalten hatte, daß sich ihre Tochter dort aufhalte, ist nicht
ersichtlich, daß sie insoweit leichtfertig gehandelt hat.
Das
Verfahren war somit einzustellen.
gez.
Heister, Staatsanwalt |