Aus
diesem Grunde wird auch die heutige christliche Kirche als Vertreterin
eines rein religiösen Glaubens durch eine Wiederbelebung unserer
wahrlich angestammten Deutschen Tradition, Kunst und Kultur zumindest
ideologisch nicht berührt, und sie könnte es sich deshalb
ganz entgegen ihrer bisherigen Kirchenpraxis einmal zu
ihrer heiligen Pflicht machen, die unter dem Schutz unserer
Demokratie sich vollziehende Berührung des Deutschen mit seiner
natürlichen Menschenwürde zu fördern.
Obwohl
uns die Geschichte zur äußersten Vorsicht gemahnt gegenüber
einer Organisation und ihren Verbündeten, welche unsere angestammte
deutsche Tradition über beinahe 2000 Jahre hinweg bis auf den heutigen
Tag, wenn auch vielleicht unter Einschließung vielfältiger
Mißver-ständnisse, verunglimpft hat und die systematische
Zer-störung unserer wahrlich ererbten Kunst und Kultur einer hohen
Sittlichkeit gezielt vorwärtstrieb was unzählige Dokumente
beweisen , können wir davon ausgehen, daß die mit dieser
Institution behafteten Deutschen zumindest heute in unserer aufgeklärteren
Zeit bei sich selbst mehr Gedankenfreiheit zu mobilisieren vermögen,
als dies in früheren Zeiten und besonders im Mittelalter möglich
und erlaubt war.
Wir
würden diese längst vergangenen und wenig erfreulichen geschichtlichen
Ereignisse jenes tragischen Verlustes unseres deutschen Kulturerbes
hier nicht anrühren, wenn wir nicht in der letzten Zeit verschiedentlich
die Erfahrung gemacht hätten, daß die Wiederbelebung unserer
alten und von unseren Vätern und Müttern über viele Generationen
hinweg sorgsam gehüteten hohen sittlichen Kunst- und Kulturtradition
immer noch von der christlichen Kirche und interessanterweise
sowohl von der römisch-katholischen als auch von der evangelischen
Kirche als eine Religion mißinterpretiert wird, und wenn
wir nicht annehmen müßten, daß sogar die verschiedensten
Regie-rungsorgane auf Bundes- und auf Landesebene benutzt werden, unser
deutsches Kulturerbe wie eh und je zu verunglimpfen.
Viele,
die die schändlichsten Dinge tun,
führen die trefflichsten Reden.
Demokrit
Um
einem Mißverständnis vorzubeugen, soll einmal an einem Beispiel
verdeutlicht werden, was unsere Vorfahren unter einem sittlich
gebildeten Menschen verstanden und wie sich die Ergebnisse ihrer
von hoher Sittlichkeit geprägten wissenschaft-lichtechnischen Ausbildung
im praktischen Denken und Handeln des einzelnen auswirkten:
Wenn
wir uns heute irgend etwas vergegenwärtigen
wenn wir uns beispielsweise vorstellen, ins kalte Wasser
zu springen, dann wissen wir wohl intellektuell, daß wir im kalten
Wasser frieren, aber dennoch machen wir bei unserer innergeistigen Vorstellung
noch nicht die praktische Erfahrung des Frierens.
Beim
Träumen verhält es sich schon anders: Wenn wir in unserem
Traum ins kalte Wasser springen, dann können wir sehr wohl die
Erfahrung machen, daß wir frieren obwohl wir aber in Wirklichkeit
in unserem warmen Federbett liegen und keinesfalls frieren , wir
kommen dort mit Wasser nicht einmal in praktische Berührung.
Daraus
können wir schließen, daß uns die Fähigkeit zur
konkreten Erfahrung einer innergeistigen Vorstellung sehr wohl mitgegeben
ist daß es uns im Wachbewußtsein aber dennoch üblicherweise
nicht gelingt, die lebendige Erfahrung dessen zu machen, worüber
wir gerade in unserem Geiste nachdenken.
Doch
unsere großen Künstler berichten uns, daß sie bei ihrer
Tätigkeit gerade auch in ihrem Wachbewußtsein sehr wohl die
lebendige Erfahrung dessen machen, was sie sich vorstellen. Unsere großen
Dichter berichten, daß sie während ihres Dichtens alles höchstlebendig
und wirklich-keitsnah erleben so als würde es gerade tatsächlich
passieren.
Und
unsere großen Tondichter sagen, daß sie beim Komponieren
das ganze Konzert in ihrer inneren Vorstellung wirklich aufführen.
Wenn
der einzelne von uns bei seinen normalen, alltäglichen Überlegungen
nicht die ganz lebendige, überwältigende, offenbarungsartige
Erfahrung dessen macht, was er sich gerade vorstellt, dann bezeichnen
unsere großen Musiker, Dichter und Denker dies allgemein als ein
höchst mangelhaft ausgebildetes Vorstellungsvermögen, oder
sie nennen es auch: eine wenig entfaltete Phantasie.
Die Zeugnisse aller großen genialen Persönlichkeiten unserer
deutschen Geschichte bekunden, daß sie ihre Dichtungen vollkommen
wirklichkeitsnah erleben so, wie der im Vorstellungsvermögen
Ungeübte dies nur in seiner Umgebung erlebt oder im Traum
leider jedoch nicht bei seinen alltäglichen Überlegungen.
Unsere
großen Genies berichten, daß der im geistigen Vorstellungsvermögen
geübte oder gebildete Mensch sich beispielsweise eine Theatervorstellung
ersparen kann, denn er kann sich die Handlung allein schon kraft seiner
ausgebildeten Phantasie vollständig vergegenwärtigen.
Der durchschnittlich Gebildete kann dies allenfalls von seinen Träumen
behaupten keinesfalls jedoch von seinem normalen Denken.
Nun
gehört es erst einmal vorrangig zur sittlichen Ausbildung unserer
Vorfahren, daß sie sich systematisch und ganz gezielt in der geistigen
Erlebnisfähigkeit schulten, daß sich der einzelne also übte,
all das, was er sich so vorstellte oder was er gerade erdachte, auch
ganz vollkommen zu erleben so, wie wenn es tatsächlich geschehen
würde.
Dies
bedeutet natürlich nicht, daß unsere Vorfahren sich etwa
eingebildet hätten, daß das, was sie sich gerade erdachten,
sich vorstellten und dabei ganz lebendig erlebten, nun auch tatsächlich
im materialistisch-physischen Sinne passierte wie der Verblendete
dies vielleicht unterstellt. Ganz wie die genialen Dichter der Bühnenkunst
waren sie sich bei dem Erleben jener von ihnen frei erdachten Handlungen
durchaus der Tatsache bewußt, daß es sich hierbei nur um
ein geistig-sinnliches Erleben handelte welches sie zu jeder
Zeit kraft eigener Entscheidung nach freiem Entschluß abzuändern
oder zu beenden vermochten.
Doch
hat solch hohe Erlebnisfähigkeit sittliche Konsequen-zen für
das Handeln des einzelnen. Deshalb konzentrierten sich unsere Vorfahren
bei ihrer sittlichen Ausbildung auch erst einmal auf die Schulung ihrer
innergeistigen Vor-stellungskraft.
Und
den praktischen Nutzen solcher gezielter geistiger Übungen für
den gesellschaftlichen Alltag wollen wir uns an dem folgenden einfachen
Beispiel einmal vor Augen führen:
Betrachten
wir den krassen Fall des Schlagens: Einer schlägt einen anderen
und tut diesem weh er macht beim Schlagen nicht selbst die Erfahrung
des Geschlagenwerdens und des Schmerzes, welchen der andere durch die
Schläge verspürt.
Der
in seiner geistigen Vorstellungskraft Geübte jedoch macht alleine
schon bei seiner geistigen Vorstellung, daß er den anderen schlägt,
sowohl die lebendige Erfahrung, daß er schlägt aber
auch gleichzeitig die unangenehme Erfah-rung, daß er geschlagen
wird.
Und
dies hat dann natürlich für sein tatsächliches äußeres
Handeln weitreichende Konsequenzen: er ist sich des Ausmaßes seiner
Handlung und vor allem: der damit verbundenen Erfahrung vollständig
bewußt: er erlebt die ganze Geschichte mitsamt aller
Erfahrungen schon in seiner Vorstellung so klar und deutlich, daß
ihm daraufhin jene tatsächlich durchgeführte physische Handlung
zumindest in seinem eigenen persönlichen Erleben keinen neuen Eindruck
liefern würde.
Er macht also alleine bei seiner innergeistigen Vorstellung, daß
er schlägt, auch schon gleich die ganz konkrete, für ihn völlig
reale Erfahrung, daß er geschlagen wird.
Und
so verpflichtet ihn diese unangenehme Erfahrung des Geschlagenwerdens
bei seinem ersten Gedankengang, anders zu denken.
Und auf dieser Grundlage wird er dann folglich auch anders handeln;
denn kein Mensch kann handeln, ohne erst einmal zu denken. Jede Handlung
wird vorher durchdacht.
Deshalb
ist das sittliche Ausbildungssystem unserer Vorfahren so angelegt, daß
es dem einzelnen schon alleine beim ersten Überlegen einer Handlung
die vollständige eigene Erfahrung des Handelns vermittelt
ihm aber damit auch gleichzeitig das vollständige Erleben anderer
an dieser Handlung Beteiligter mitliefert.
Aus diesem Grunde wird es schließlich das ganz natürliche
Bemühen des einzelnen sein, eine jede seiner Handlungen schon im
Ansatz seines Denkens so zu planen, daß niemand von der Handlung
verletzt werden kann denn nur so bleibt auch ihm selbst das Erleben
seiner eigenen Verletzung während seiner Planungen erspart.
Hierin
liegt der traditionelle sittliche Schlüssel unserer Vorfahren für
die soziale Ausbildung.
Eine schwache Andeutung von diesem Vermögen, sich in die Lage eines
anderen vollständig hineinzuversetzen, finden wir noch in den Worten
Mitgefühl oder Mitleid vor.
Aber das tatsächliche Erleben des gesamten Ausmaßes unseres
Handelns nur alleine aufgrund unserer innergeistigen Vorstellung
ist uns mit dem Verlust der traditionellen sittlichen Ausbildungsprogramme
unserer Vorfahren abhanden gekommen. |