Soviel
Anmaßung von seiten der Bürger ist mir in meinem Hohen Amt
noch nie zugemutet worden! muß es da den erschreckten Hochwürden
durchzuckt haben.
Da
will mir eine dahergelaufene Jugendorganisation sagen, was ich gefälligst
zu tun und zu lassen habe!
Das weiß ich selbst, was ich zu tun und zu lassen habe!
Die
sollten mal meinen Terminkalender sehen: voll von vorne bis hinten!
Außerdem habe ich persönlich über meine Zeit die allerwenigste
Kontrolle.
Für
meine Terminplanung existiert ein ganzer Stab von Spezialisten! Ich
kann froh sein, wenn ich es schaffe, die Reden zusammenzuschreiben,
die ich überall halten muß vom Botschafter des Landes
X bis zum Kleingärtnerverein in der Stadt Y.
Immer schön Männchen machen! Ja nichts Verkehrtes sagen! Nirgends
anecken! Immer Harmonie verbreiten! Das kostet Nerven!
Dabei interessiert mich das Land X nicht einmal!
Und
wenn ich die vielen schwitzenden Hände beim Empfang drücken
muß, dann bin ich der einzige, der andauernd stehen bleiben muß
während alle anderen sich ihre Hände waschen können
und dabei auch noch denken, der Schweiß käme von meiner Hand!
Dabei handelt es sich um die Ausdünstung von über 60 Vorgängern!
Und
der Kleingartenverein interessiert mich noch viel weniger!
Für einen kleinen Garten habe ich weder Zeit noch kann ich mir
in meinem hohen Amt ein Schrebergartendasein leisten auch wenn
ich mich öfters gerne mal in eine klitzekleine lauschige Ecke verdrücken
würde, wie dies jeder andere anständige Mensch doch kann
oder bin ich etwa nicht anständig?
Selbstverständlich
bin ich für Menschenwürde! Ich rede ja andauernd über
alle diese Dinge!
Und wenn man einmal von der aufdringlichen Art dieser jungen Leute absieht,
dann rennen sie bei mir persönlich ja eigentlich offene Türen
ein.
Ich
bin doch nicht dumm! Ich weiß auch, daß das professionelle
politische Amt den Makel der demokra-tischen Korruption an sich hat.
Wer hat mich denn in mein Amt gebracht?
Gute
Verbindungen zur Kirche besser gesagt: zu beiden Kirchen!
Eintritt in die Partei! Und dann der Aufstieg! Und schließlich
sitze ich hier in meinem Amt und kann mich nicht nach links und rechts
bewegen.
Was
mir die Dienstvorschrift nicht vorschreibt, das schreibt mir mein Parteibuch
vor, denn die Partei hat mich ja für mein Amt vorgeschlagen und
über ihre Abgeordneten in mein Amt erhoben natürlich
zusammen mit der Koalition und selbstverständlich nach Rücksprache
mit der Kirche.
Und
wer hat meine Partei finanziert und ihr die politische Macht erst ermöglicht?
Na, wer wohl?
Die Kirche diesmal in Ökumene, weil meine Partei ja mit
beiden so gut kann bei aller angeblichen Profillosigkeit: eine
stramme Leistung!
Aber
gerade wegen dieser ganzen Umstände kann, darf und will ich mich
bei der Sache dieser Jugendorganisation nicht engagieren.
Ein
Demokratisierungsprozeß auf seiten der Bürger rückt
alleine schon solche Dinge wie Volksentscheid ins politische
Leben und vielleicht gar in den politischen Alltag da bleibt
das politische Fach und die politische Sachkenntnis: da bleibt letztlich
der politische Profi auf der Strecke.
Bis
jetzt kann der Bürger immer nur das eine wählen oder das andere:
die evangelische Kirche über die SPD oder die katholische Kirche
über CDU und CSU oder beide Kirchen über meine Partei, die
F.D.P. insofern kann es mir in meinem Amt völlig egal sein,
wen die Bürger wählen; denn meine Partei geht ja ohnehin immer
mit dem Gewinner!
Das
ist ja gerade der Witz des politischen Geschäftes! Deswegen sind
wir in unserer Partei ja auch die intelligentesten Politiker!
Im politischen Geschäft immer ganz oben!
Aber
ein Volksentscheid macht auch unser politisches Geschäft unkontrollierbar!
Das würde man bis in die Börse hinein spüren!
Niemand weiß ja, zu was die Masse Volk morgen fähig ist,
wenn sie mal gefragt wird!
Darin
sind wir uns ja auch alle einig! Jeder einzelne professionelle Politiker,
jede unserer drei Parteien und die beiden Kirchen: der Bürger darf
erst gar nicht gefragt werden! Der Rest wird über die Abgeordneten
unserer Parteien und die beiden Kirchen geregelt!
Dafür haben wir doch die parlamentarische Demokratie!
Nein,
diese wahnwitzige Jugendorganisation darf keine Zukunft haben!
Die bringt zuviel Unruhe in unser politisches Geschäft, zu viele
unkontrollierbare Unsicherheitsfaktoren!
Schließlich
weiß dann niemand mehr, was der Morgen bringt und ob man übermorgen
dann noch in seinem Amt ist!
Wenn der Bürger erst mal erkennt, daß er uns bezahlt und
daß er deshalb auch das Recht hat, mit uns zu spielen, wie er
will, dann überleben von uns nur noch die mit den besten Nerven!
Besser
der Bürger kommt erst gar nicht an uns heran!
Wachposten, Stacheldrahtzäune usw. haben wir ja bereits!
Und der Gedanke, daß der Bürger nun auf demokratische Weise
an uns herankommt und uns in unseren täglichen Entscheidungen in
seinen Griff bekommt, darf in der Öffentlichkeit gar nicht erst
Fuß fassen!
An
die Tatsache, daß durch die Etablierung von Ausbildungsprogrammen
in der freien Gewissens- und Willensbildung alle bisherigen festen ideologischen
oder religiösen Vorstellungen in den Hintergrund gedrängt
werden und nur noch das spontane Volksempfinden die große Herrschaft
in unserem Staat führt, will ich erst gar nicht denken!
Meine
Partei und die Kirchen würden mich direkt aus meinem Amt entfernen
lassen wenn ich mich auf so etwas einließe! Das Beste ist, ich
denke erst einmal gar nicht weiter daran und hülle mich, wie schon
mit meinem Kollegen verabredet, weiterhin in Schweigen,denn Schweigen
ist ja bekanntlich Gold. |